Suchfunktion

Vater des Amoktäters von Winnenden unterliegt gegen Klinikum

Datum: 26.04.2016

Kurzbeschreibung: - Landgericht Heilbronn weist Zivilklage voll umfänglich ab -

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn hat heute die Klage des Vaters des Amokschützen von Winnenden gegen das Zentrum für Psychiatrie Weinsberg und dessen Mitarbeiter abgewiesen.

Der Sohn Tim K. des Klägers erschoss am 11. März 2009 in der Albertville-Realschule in Winnenden und auf der anschließenden Flucht 15 Menschen und verletzte zahlreiche weitere, bevor er sich selbst tötete. Der Kläger wurde u. a. wegen fahrlässiger Tötung strafrechtlich verurteilt. Ihm ist vorzuwerfen, dass er die verwendete Waffe und deren Patronen ungenügend sicherte und damit die Tat mitverursachte. Mit seiner Klage machte er geltend, das Klinikum und die behandelnden Therapeuten hätten die Hälfte der von den Geschädigten verlangten Schadensersatzforderungen, insgesamt mehrere Millionen Euro, zu tragen. Bei der ambulanten Behandlung seines Sohnes in der dortigen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Jahre 2008 sei es zu Behandlungsfehlern gekommen, die für die Tat mitursächlich gewesen seien.

Das Landgericht Heilbronn hat entschieden, dass das Klinikum und seine Mitarbeiter nicht neben dem Kläger haften. Unter Berücksichtigung eines eingeholten jugendpsychiatrischen Gutachtens seien zwar Behandlungsfehler festzustellen. Bei seinem ersten Gespräch in der Klinik habe Tim K. Wut und Hass auf die Menschheit zum Ausdruck gebracht und erklärt, er habe oft Gedanken, „andere umbringen zu wollen“. Auch von „alle erschießen“ sei die Rede gewesen. Den Therapeuten sei vorzuwerfen, sie hätten nicht ausreichend nachgefragt, insbesondere hätte nach dem Zugang zu Waffen gefragt werden müssen. Außerdem sei keine Sexualanamnese erhoben worden. Ein Persönlichkeitstest sei falsch ausgewertet worden.

Es könne aber nicht angenommen werden, dass diese Fehler mitursächlich für die Amoktat seien. Dass bei fehlerfreiem Vorgehen der Behandler eine von dem Patienten ausgehende erhebliche Gefahr zu erkennen gewesen wäre, könne nicht festgestellt werden. Es lasse sich nicht einschätzen, was bei einer intensiveren Befragung herausgekommen wäre. Möglich sei, dass den Fragen ausgewichen oder diese unzutreffend beantwortet worden wären. Konkrete Ankündigungen für eine Tat habe es nicht gegeben. Auch seien die zunächst geäußerten Gedanken bei späteren Gesprächen verneint worden. Es lasse sich außerdem nicht feststellen, dass eine Einbeziehung der Eltern bei einer Befragung zur Waffenthematik den Verlauf hätte beeinflussen können. Selbst Angaben zum Umgang mit Waffen hätten nach den Umständen nicht den Rückschluss zugelassen, dass eine Amoktat im Raume steht. Außerdem bleibe völlig spekulativ, wie die Eltern, die jedenfalls die Verfügbarkeit von Waffen im eigenen Haus nicht von sich aus angesprochen hätten, mit dem Thema Waffen weiter umgegangen wären. Die Beweislast für die Kausalität der Behandlungsfehler könne nicht unter dem von der Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunkt des „groben Behandlungsfehlers“ umgekehrt werden.

Eine fehlerhafte Diagnosestellung sei den Beklagten im Übrigen nicht vorzuwerfen. Auch seien die Therapeuten fachlich zur Behandlung qualifiziert gewesen. Die verspätete Übersendung eines Arztbriefes habe sich nicht ausgewirkt, zumal auch mündlich die Empfehlung zu einer Weiterbehandlung erteilt worden sei.    

 

(Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 26. April 2016, Aktenzeichen: 1 O 220/12 Ri)

 

 

Kleinschroth
Vors. Richter am LG
Pressesprecher

Fußleiste